Sozialwahl 2017
Da liegt er nun wieder auf meinem Schreibtisch, wie schon vor sechs Jahren: Der Stimmzettel zur Sozialwahl.
Und wieder stellt sich die Frage: Mit welcher Stimme unterstütze ich welche Positionen?
Das ist leider gar nicht so einfach herauszufinden. Der Flyer, der ein paar Wochen zuvor ‚rumgeschickt wurde war leider nur sehr oberflächlich und hat grundsätzliches zur Wahl beschrieben. Und – vor allem – beworben, wie wichtig eine Wahlbeteiligung ist. Derlei Aufrufe gibt es viele, aber inhaltliche Positionen werden nicht dargestellt.
Die Website sozialwahl.de bietet einen Einstiegspunkt, aber keine klare Gegenüberstellung der Positionen. Immerhin gibt es eine Auflistung mit den „Listen und Kandidaten“ (Listen sind die eigentlichen Wahlmöglichkeiten, da es sich nicht um eine Personenwahl handelt).
Bei einem Blick auf diese Liste dämmert es mir langsam: Eine klare Gegenüberstellung von Positionen kann es nicht geben, weil die zur Verfügung stehenden Wahlmöglichkeiten abhängig von dem Versicherungsträger sind, bei dem man versichert ist. Manche Träger machen auch eine „Friedenswahl“ – da wird zu 30 verfügbaren Posten ein Topf von 30 Kandidaten zusammengeklüngelt und beschlossen, dass man, da man ja genau soviele Kandidaten wie Positionen hat, keine Wahl mehr notwendig ist.
Zumindest gelangt man dort dann über die verlinkten Listen zu jedem Träger an die Selbstdarstellungen der Kandidaten und kann versuchen, sich selbst ein Bild zu machen. Lieber wären mir schon einige redaktionell aufgearbeitete Beiträge, die vielleicht auch über die Selbstdarstellungen hinausgehen und im besten Fall die in der Vergangenheit (letzte Wahlperiode?) vertretenen Positionen berücksichtigt.
Bei dem Versuch, sich dem entsprechend zu informieren und vielleicht doch eine Gegenüberstellung von Positionen zu finden, stößt man vor allem auf Kritik an der Wahl selbst.
Bei Deutschlandfunk findet sich ein Beitrag (auch als Audio), in dem die kritisierten Punkte zusammengefasst werden. Abgesehen davon, das in den Beiträgen des DLF der CDU Politiker erstaunlich oft Erwähnung findet, findet sich aber auch dort keine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Wahlmöglichkeiten und deren Positionen.
Eine deutlich negative Kritik, verbunden mit der Forderung zur Abschaffung der Sozialwahl, findet sich in der Ärztezeitung, ein Argument dafür sieht man in der gescheiterten Reformation – trotz Verankerung im Koalitionsvertrag – durch CDU und SPD (sollte man sich für die Bundestagswahl merken).
Such man weiter, findet sich das Portal sozialversicherung.watch dessen Domain und Titel erst einmal hoffnungsvoll stimmt. Bei einem zweiten Blick wird man jedoch enttäuscht, denn das, was ich unter dem Begriff Watchblog assoziere, wird bei weitem nicht erfüllt. Ein dritter Blick (ins Impressum) offenbart auch, warum: Urheber und Betreiber ist einer der Kandidaten zur Wahl: die Gewerkschaft ver.di.
Also auf in die sozialen Medien, namentlich Twitter.
Dort stelle ich fest, das es viele gibt, die das gleiche umtreibt, wie mich. Es fehlt, kurzgesagt, der Wahl-o-mat zu Sozialwahl. Warum es keinen gibt habe ich oben schon vermutet: Zu komplex, zuviele „Kandidaten“, da für jeden Träger eine eigene Wahlliste existiert.
Fast erwartungsgemäß versucht die Community auf Twitter scheinbar vor allem herauszufinden, welche Wahloption am Homäopathie-Kritischsten im Gesundheitswesen aktiv werden will. Zum Beispiel fragt der aus dem „Methodisch Inkorrekt“ Podast bekannte Nikolas Wörl: „Wen von Euch wähle ich bei @Sozialwahl_2017 um ein Zeichen GEGEN Homöopathie zu setzen? @_verdi @BARMER_Presse @DAKGesundheit @DieTechniker“.
Und erhält von „sucinum1899“, der direkte Anfragen an die Kandidaten verschickt haben will, die Antwort (hier nochmal in anderer Form) dass dies wohl am ehesten auf die Techniker/IG Metall zutrifft.
Damit ist ein interessanter Punkt angesprochen, viele andere bleiben unbeleuchtet.
Zudem ist die TK-Gemeinschaft lauten meinem Wahzettel mit der BARMER und der DAK eine „Listenverbindung“ eingegangen. BARMER und DAK kommen bei den auf Twitter präsentierten Anfragen nicht so gut weg, so dass nicht klar ist, wie sehr die Stellungnahmen taugen.
Sehr unübersichtlich, die Lage und nicht einfach eine fundierte Entscheidung zu treffen.
Ich werde noch weiter Augen und Ohren offen halten und hoffe, dass noch klarere Positionen bezogen werden und auch verglichen werden. Gewählt werden kann bis zum 31. Mai, also noch gut 4 Wochen Zeit, die Wahlentscheidung zu treffen.
Wer gute Informationsquellen hat: Gerne in die Kommentare damit
Am 3. Mai 2017 um 19:19 Uhr
Ich bin auf einer ähnlichen Suche. Hier bin ich zumindest etwas fündig geworden: https://www.tk.de/tk/unternehmen/sozialwahl-2017/die-listen-stellen-sich-vor/936010
Mal sehen, ob es irgendwo noch was besseres gibt.
Am 4. Mai 2017 um 03:40 Uhr
Man kommt sich fast vor wie bei einer Volkskammerwahl: Überall Rummel, wie wichtig es ist. Aber abgesehen von Listen, die auf Stammklientel zugeschnitten sind: Keine erkennbaren Positionen, immer alles zum Sohle des Volkes bei der Xten Sozialwahl
Am 5. Mai 2017 um 13:59 Uhr
Wobei man da schon eine Henne-Ei-Problematik sehen kann – sind die aufgerufenen Wähler nicht vielleicht zu leise? Wird da vielleicht zuwenig Transparenz (Stichwort „Friedenswahl“) eingefordert?
Oder auch die ‚richtige‘ Politik zuwenig damit konfrontiert, das die offensichtlich überfällige Reform von CDU und SPD verschlafen wurde?
Am 5. Mai 2017 um 23:45 Uhr
Vielleicht hier: https://www.sozialwahl.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung-2822017/
Am 6. Mai 2017 um 09:11 Uhr
Interessant an den „Gemeinschaften“ mit den Namen der Krankenkasse im Namen scheint zu sein, dass der Name so gewählt ist, um Stimmen abzuschöpfen. Praktisch sind das aber wohl interessenpolitische U-Boote. Mitglied bei der TK-Gemeinschaft kann man z.B. nur werden, wenn man ein Mitglied als Bürgen findet und benennen kann. Die wollen also unter sich bleiben aber Eimfluss nehmen.
Am 6. Mai 2017 um 09:34 Uhr
Jawohl, ich will Themen wählen, nicht Personen.
Am 6. Mai 2017 um 09:57 Uhr
Hallo Thomas,
danke für den Kommentar, hast Du zu der Behauptung einen Link als Quelle? Ganz so drastisch würde ich das mit der Gemeinschaft aber nicht sehen; das man in eine Gemeinschaft nur über Referenzen aufgenommen wird ist ein üblicher Mechanismus. Klar könnte man ein transparentes „Bewerbungsverfahren“ aufsetzen, aber solange man den Aufwand nicht treiben will/muss, läuft es halt über direkte Referenzen.
Am 6. Mai 2017 um 10:02 Uhr
Interessant zu der Homöopathie/Heilpraktikterdiskussion ist auch dieser Artikel aus dem Stern: „So gefährlich sind Heilpraktiker in Deutschland“ http://www.stern.de/gesundheit/heilpraktiker-in-deutschland–so-gefaehrlich-sind-sie—der-grosse-stern-report-7434370.html
und in der ARD Mediathek „Auf der Suche nach Heilern“ http://www.ardmediathek.de/tv/Kinozeit-Dokumentarfilm/Rosa-von-Praunheim-Auf-der-Suche-nach-H/WDR-Fernsehen/Video?bcastId=15447312&documentId=23559230
Am 6. Mai 2017 um 21:04 Uhr
@Markus, mehr als du habe ich auch nicht gefunden. Ich stimme zu, hier fehlt eindeutig ein Wahl-o-Mat oder zumindest eine klare Aussage aller Listen, wie sie zu bestimmten Themen stehen. In der Selbstdarstellung der Listen liest man nur inhaltslose Phrasen. Ich kann daraus nur schließen, dass die Sozialwahl eine Farce ist.
Einen ungültigen Wahlzettel abzusenden – quasi als Zeichen des Protests – ist scheinbar auch sinnfrei. Ich werde daher wohl das machen, was zuletzt ohnehin mehr als zwei Drittel der Wahlberechtigten gemacht haben: Den Zettel wegwerfen.
Am 6. Mai 2017 um 23:01 Uhr
https://parteivergleich.eu/index.php?Wahl=Sozialwahl_2017_DRV
Hier gibts nen Wahl-O-Mat
Am 7. Mai 2017 um 09:00 Uhr
Eine Vorstellung der Listen und Ziele findet sich unter:
https://www.sozialwahl.de/fileadmin/user_upload/PDFs/Sozialwahl_Listenvorstellung_DRV_Bund.pdf
Mir hat diese Zusammenstellung Orientierung gegeben.
Am 7. Mai 2017 um 10:48 Uhr
Vielen Dank für den Link zum Wahl-o-mat, der hatte sich tatsächlich sehr gut vor mir versteckt.
Ich finde allerdings das Fragen wie „Sind Frauen stärker von Altersarmut betriffen?“ Nicht in einen Wahlomat gehören; das wird mit Daten be- oder wiederlegbar sein. Die Frage ist doch eher „Soll stärker geschlechtsspezifischer Alterarmut entgegengewirkt werden?“
Aber das ist erstmal ein Detail – cool das es doch einen Wahlomaten gibt!
Am 7. Mai 2017 um 22:06 Uhr
Vielen Dank @Chris für den Link zum Wahlomat bei https://parteivergleich.eu
Ich kannte die Seite bislang nicht und war zumindest skeptisch.
Ausserdem ist mir natürlich klar, dass bei solchen Wahlomaten immer nur eingeht, was Kanidaten auf die Fragen antworten (und nicht, was sie in der Lage oder auch nur willens sind, später umzusetzen).
Aber besser als „die anzukreuzen bei denen mir der Name sympathisch klingt“ ist es in jedem Fall.
(Und ja, ich habe daher nicht das Kreuz bei der Gewerkschaft gemacht bei der ich Mitglied bin.)